Kapverdische Inseln – Blue Marlin

»Chaos, Pech und Pannen«

Bereits die Planung verlief schwierig. Die Flugtickets wurden uns einen Tag vor dem Abflug überreicht. Der TACV-Flieger kommt erst zwei Stunden später vom Boden. Auf der Hauptinsel Sal herrscht Chaos, kein Inselspringer fliegt normal unserer überhaupt nicht. Einen Tag verloren, wir werden nervös. Am nächsten Tag: „Fly… maybe…“, mit drei Stunden Verspätung erreichen wir Sao Nicolau. Noch eine Stunde mit dem Taxi durch eine Mondlandschaft und wir sind endlich am Ziel. Unser Quartier ist in Ordnung und die Einheimischen scheinen friedlich und uns wohl gesinnt. Auf Glasperlen fallen sie nicht mehr rein, sie nehmen nur DM oder Dollar.

Die erste Überraschung, unser gebuchtes Boot liegt auf Trockendock, so wie es da steht, wahrscheinlich für immer. Unser Ersatzboot läuft einen halben Tag, dann gibt eine Maschine ihren Geist auf (Kopfdichtung durchgebrannt). Was jetzt, nur noch ein kleineres Boot liegt im Hafen. Es macht einen guten Eindruck, nur ein Kampfstuhl fehlt. Es muss halt ohne gehen, Stand-Up ist angesagt! Gleich beim Rausfahren fangen wir große Wahoos. Der Junge, der Crewman spielt, macht beim Gaffen einen Fehler – ich renne mir dabei einen Haken in die Hand und Stephan wird in den Fuß gebissen. Wir bluten wie die Schweine und schauen uns traurig an. Heute wird Menschenblut vom Deck geschrubbt. Nach zehn Stunden noch kein Marlinstrike, Stephan wird nervös.

In den letzten beiden Jahren fing er immer sehr gut. Beim Reinfahren dann doch noch der erste Strike, der Marlin schlägt aber nur einmal auf den Ilander und verschwindet. Der zweite Tag, die gleiche Pleite, zwanzig Stunden auf See und noch kein Marlin. Unser Skipper Cepriane, seit dreißig Jahren Berufsfischer, und Harald, seit acht Jahren regelmäßig als Skipper und Wireman tätig, sind noch deprimierter als wir.

Der vorletzte Tag, wir wollen zu Ceprianes Thun-Spezialplatz, hier steigt der Grund von 2000 auf 150 m. Cepriane schleppt exakt die Kante ab. Unsere Ilander laufen optimal. Endlich der ersehnte Strike und Run. Ich drille eine halbe Stunde … weg. Weiter geht es, Dreierstrike, Stephan drillt … nach einer Dreiviertelstunde, unmittelbar in Bootsnähe ausgehängt. Fünf Minuten später – Doppelstrike, Stephan fängt einen Gelbflossenthun. Die Sonne steht tief, wir fahren zurück. In Küstennähe ein Strike auf der 50er. Stephan drillt was das Zeug hält und nach einer halben Stunde haben wir es geschafft: Der erste Blue Marlin von ca. 180 kg ist gefangen. Wir markieren und lassen ihn wieder frei. Harald wird wieder lustig und Cepriances Augen leuchten wieder, der Bann scheint gebrochen. Letzter Tag, letztes Glück, wir starten um 7:00 Uhr ins gleiche Gebiet.

 
11:00 Uhr Doppelstrike, ich fange einen Spearfish mit zwei Meter Länge. Der Fisch ist sehr aggressiv und schlägt wild um sich. Stephan und Harald sind sicher, dass er ihnen mit Absicht und gezielt mit seinem Schwert auf die Finger gehauen hat!? 13:00 Uhr Doppelstrike, ich fange einen Marlin mit ca. 200 kg. 16:00 Uhr erneuter Doppelstrike. Mein Marlin springt am Horizont, leider aber ohne Haken. Ich schaue nach links, Stephans Fisch zieht langsam ab, keiner von uns rechnet mit einem Marlin. Jetzt reißt es Stephan beinahe über Bord und die Post geht ab. Die Leine schießt von der Rolle, 300-400-500 jetzt sind mindestens 600 Meter abgelaufen. Ich beobachte den Horizont, Cepriane sieht ihn als Erster: „Big Marlin 8 Uhr …“. Der Fisch kommt in ganzer Größe aus dem Wasser, scheint für einen Moment in der Luft zu stehen, um dann mächtig und mit einem riesigen Splash zurückzufallen. Cepriane: „The second biggest Marlin in my life…“. Sein Größter wog 495 kg! Wir müssen näher ran und fahren rückwärts. Der Marlin taucht ab, Stephan drillt brutal. Die Leine ist an der Belastungsgrenze. Wir stehen jetzt nicht mehr weit vom Fisch, der Leinenwinkel wird flacher, er kommt hoch. Keine 100 Meter vor uns springt ein Giant in seiner ganzen Länge und Schönheit aus dem Wasser. Seine blauen Streifen und der silberne Bauch leuchten und schimmern in der Sonne. Er hängt nur an einem Haken und schlägt wild mit seinem mächtigen Schwert um sich. 3-4-5-mal springt er und taucht wieder ab, die Leine saust wieder von der Rolle, der Marlin zeigt noch keine Müdigkeit. Stephan fightet wieder. Plötzlich: „Sch… weg“, Cepriane gibt Vollgas. Stephan lässt die Arme hängen. Schade, der Giant ist nach einer Dreiviertelstunde ausgestiegen. Schweigen … Cepriane und Harald lassen die Köpfe hängen. Weiter, jammern nutzt nichts, weg ist weg. Niemand hat einen Fehler gemacht, das war einfach nur Pech. Gegen Abend ein Doppelstrike, Stephan fängt einen Marlin mit ca. 200 kg – ein Trostpflaster!? Kurz später erwische ich noch einen, leider ist er sehr stark verletzt und wir müssen ihn mitnehmen. Morgen ist unser Abreisetag, trotzdem wollen wir noch mal raus, Cepriane ist einverstanden.
 
 
Es wird hell und wir sind auf See. Bis 10:00 Uhr zwei Wahoos, kein Marlinstrike. Cepriane fummelt an den Motoren rum und schaut nervös: „Maybe it is better to go home … Diesel?“ Zirka 5 Meilen vor der Küste gehen die Lichter aus, beide Maschinen bleiben stehen. Wir sind am Ende, jetzt sind wir kurz vor Schluss noch in Seenot geraten und unser Flieger geht um 15.00 Uhr. Funkgerät an und Notruf absetzen, keiner reagiert oder was wahrscheinlicher ist, das Gerät funktioniert nicht? Wir überlegen, Cepriane meint, dass in einem Tank noch etwas Diesel sein müsste. Die Qual der Wahl, wir tippen auf den Steuerbordtank – also, leeren Tank absperren, die Leitungen entlüften und hoffen, dass er anspringt. Ein weiteres Problem, die Strömung ist stark und in spätestens einer Stunde werden wir auf die Felsenküste auflaufen. Der erste Startversuch, der Anlasser dreht zwar aber der Motor springt nicht an. Noch schätzungsweise zwei bis drei Versuche, dann ist die Batterie leer. Jetzt nur die Ruhe bewahren und nicht durchdrehen – nochmals alles überdenken und gewissenhaft alle Schritte wiederholen. Wir wagen einen erneuten Versuch. Der Anlasser dreht – endlich die Erlösung, der Diesel springt an und läuft durch. Mit dem letzten Schluck erreichen wir den Hafen. Unser Taxi wartet schon. Wir schaffen es noch und erreichen mit Zwischenstop Sal. Wie der Her- so der Rückflug, Probleme und Verspätungen. 24 Stunden später sind wir in München.
 

Resümee

Fanggebiet und Cepriane First Class, Quartier und Essen gut. Kaltes, trinkbares Bier gibt es ebenfalls. Auf Sao Nicolau kann man nur angeln. Familie brauchen Sie hier nicht mitzubringen. Sie werden sonst spätestens nach zwei Tagen mit Recht gesteinigt, an Material dafür fehlt es hier nicht!

Stephan Kreupl, Robert Rein im Juni 2000