Blaue Marline vor Rodrigues

Mein „großer Plan“ für Januar 2006:

Vier Ausfahrten auf Mauritius mit der KESTREL Großmarline fangen, dann ab nach Rodrigues, davon drei Tage mit der BELUGA Offshore-Light-Tackle bis zum Abwinken und dazu noch zwei Tage Popperfischen am Riff mit der LEGEND bis die Arme schmerzen. Danach wieder zurück auf Mauritius und noch zwei Tage dort die Marline jagen.

Wie immer, kam aber alles anders: Die ersten Mauritiustage auf der KESTREL brachten lediglich zwei Marlinkurzstrikes und dazu waren es auch noch kleine Fische. Nach dem Mauritiusfrust ging es dann voller Erwartung nach Rodrigues. Aber da war doch noch mal was: Man nennt Rodrigues auch „Insel im Wind“, d.h. die Insel ist extrem Starkwind gefährdet; jetzt im Januar ist auch noch Zyklonzeit! Schon zweimal hat mich das Schicksal hier hart gebeutelt. Ich hoffe meine Fürbitten an den Gott der Meere und des Windes wird erhört – ich werde auch immer brav alle kleinen Schwerträger freilassen und dafür sorgen, dass die anderen Fische von Menschen aufgegessen werden! Wir näheren uns der Insel, das Wetter ist wunderschön und die See tiefblau. Man erwartet mich bereits und morgen soll es losgehen – ich bin sehr guter Dinge!

Meine Hoffnung hier auf Rodriguez: Wahoos, Thune, Dorados und vielleicht den einen oder andere Segelfisch auf der BELUGA. Dann noch In-, onshore am Riff: vielleicht einen schönen GT!?

1. Tag auf der BELUGA:

In den ersten beiden Stunden versuchen wir es mit 20er und 30er Gerät auf Wahoo, Dorados, Thune und was sich sonst noch hier so rumtreibt. Nach 2 Stunden – immer noch keinen einzigen Strike trotz ruhiger See. Wir fahren an die Kante ins 300 Meter tiefe Wasser und rüsten auf Marlin um – wie auf Mauritius geht es weiter: 50er, 80er und 130er Gerät + Plastik. Zur Ehrenrettung lassen wir eine 20er Rute mitlaufen. Endlich der ersten Strike und der auf der 20er mit dem Bonitojig. Nach gut 20 Minuten konnten wir einen sehr schönen Speerfisch von ca. 70 lb taggen und releasen!

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: zuerst 2 Wahoos auf der 50er und dann der erste Blaue Marlin um 300 lb. Nach 20-minütigem Drill auf der 80er können wir ihn taggen und releasen. 30 Minuten später der nächste Blaue, diesmal etwas kleiner auf der 50er. Nach kurzem Drill wurde auch der Fisch getaggt und released. Danach fangen wir noch einige Gestreifte Thunfische. Auf der Rückfahrt dann sogar noch zwei Segelfischstrikes – auf Plastik wird das aber nichts; trotzdem immer schön anzusehen. Ja was war das heute – da bin ich doch gleich am ersten Tag doch nur knapp an einem Grand-Slam vorbeigeschlittert.

2. Tag auf der BELUGA:

Heute wollten wir in den Nordwesten ungefähr 30 Seemeilen raus aufs Meer. Fängt ja wieder gut an – bis zum Nachmittag null Kontakt; nicht mal ein Bonito erbarmt sich. Wir bauen wieder um, die letzten beiden Stunden greifen wir im Inshorebereich an; in 40 bis 60 Meter tiefem Wasser soll es passieren. Wir starten mit Jigging – tatsächlich fangen wir einige Snapper um 20 LB. – eine Delikatesse! Bei der Rückfahrt erwischen wir noch einen schönen Wahoo auf die 20er. Das war es dann – nicht gerade ein Eintrag im „Ewigen Fangbuch“ heute.

3. Tag auf der LEGEND:

Heute sollen es die Popper bringen; wir starten um 10 Uhr am Riff. Bewaffnet mit zwei 300 Gramm Popperruten und bestückt mit edlen Shimano Stellas 20000 + 200 lb geflochtener Dynemaleine – so muss es doch krachen? Die Bremse ist auf ca. 20 kg eingestellt. Die Fangquote für große GT’s liegt auf Rodrigues, der geringen Wassertiefe und der nahen Felsen wegen, bei 1:10. Wegen der häufige Abrisse angeln wir auch ohne Wiederhaken. Ein Crewmann wirft am Bug, ich vom Heck aus – immer voll in die Brandung. Der 3. Mann steuert von der Mittelkonsole aus das Boot parallel zum Riff. Wir starten am Außenriff – also mit der Welle. Nach 2 Stunden Werfen, immer noch nichts – Frust kommt auf und die Arme schmerzen. Wir machen eine Pause und schleppen mit Rapalas weiter. Auch nix, dann also wieder weiter die schweren Popper in die brechenden Wellen wuchten… . Nach dem Motto: „Ein neuer Platz, neue Hoffnung“ postierten wir unser Boot von Innenriff aus und werfen die Popper in die ins Riff krachenden Wellen: Dort ist das Wasser zwischen ein und sechs Meter tief; wir sehen die Fische in den Wellen rauben. Es dauerte nicht lange und wir haben den ersten Strike; ein schöner Barrakuda. Nach dem Foto geht er wieder zurück ins Wasser – Barrakudas ab einer gewissen Größe sind vor Rodriguez nicht mehr zum Verzehr geeignet.

Zehn Minuten später der nächste Strike, diesmal ein GT von ca. 70 lb. Nach fünf Minuten Drill auf Biegen und Brechen, scheuert die 200 lb Leine an den rasiermesserscharfen Korallen durch – weg. In der nächsten halben Stunde fangen wir dann doch noch drei Fische zwischen 10 und 20 lb. Ein großer schwarzer GT um 80 lb geht unmittelbar nach dem Strike zwischen den Korallen durch und reißt ab – Sch…. ! Die 1:10 Quote wird leider wieder Praxis. Gegen 16 Uhr ist dann der offizielle Angeltag zu Ende. Ich will mich aber noch geschlagen geben. Ein einheimischer Fischer fährt gegen 18 Uhr in seinem Dinghy erneut mit mir ans Riff. Gegen 19.00 Uhr geht die Sonne unter und bereits 2 GTs zwischen 10 und 15 lb liegen im Boot. Heute ist Vollmond und ich kann den Mann überzeugen, dass es hier bei Vollmond vollkommen ungefährlich ist; er hängt noch 2 Stunden dran – aber wohl mehr weil er scharf auf die Fische ist. Wir werfen unsere Popper vom Außenriff aus direkt in den sich dort spiegelnden Mond – voll in die krachende Brandung hinein. An einer Stelle hatten wir kurz vorher einen heftigen Doppelstrike; dort muss wohl eine riesiger Schwarm stehen? Dann kommt der Hammerstrike; der Einheimische weiß sofort was Sache ist – ab mit Vollgas ins tiefere Wasser. Nach 30 Minuten hartem Drill biegt der 50 lb Sampo-Wirbel auf. Wir schätzten den Fisch auf gut 90 lb – schade.

4. Tag – wieder auf der Beluga:

Wir steuern das Gebiet vom 1. Tag an. Im flachen Wasser fangen wir Wahoos, Gestreifte Thunfische, Goldmakrelen und einen Barrakuda. Im tiefen Wasser rüsteten wir wieder um und fischen auf Marlin. Noch keine 30 Minuten sind vergangen kommt der erste Strike. 15 Minuten später ziehen wir einen Blauen Marlin von ca. 200 lb ins Boot. Zuerst markierten wir den Fisch und ließen ihn wieder frei. Leider konnte er sich nicht mehr erholen und wir zogen den Fisch ins Boot.

Eine Stunde später fangen wir einen weiteren Blue Marlin um 300 lb.

20 Minuten später kracht ein Fisch auf den Outriggerlure – ein kapitaler Marlin springt am Horizont; nach 40 Minuten Drill kommt er endlich längsseits; wir schätzen den Marlin um die 750 lb. Ich steige aus dem Stuhl und will meine Kamera holen – da schreit Skipper Christian von oben: „No release – we gaff…“. Die Jungs halten den Marlin mit einem Tau am Schwert. Auf einem C+R-Boot ein Flying-Gaff finden und vorbereiten, das dauert. Jetzt kommt es wie es kommen muss, der Marlin schüttelt sich noch ein paar mal und befreit sich aus der Schlinge. Der Haken ist schon gelöst und der Lure im Boot. Einer der Jungs schmeißt noch das halbfertige Gaff hinterher, langsam schwimmt er davon – wieder frei! Für mich geht das auch so in Ordnung. Leider haben wir im Trubel kein einziges Foto gemacht.

Drei Blaue Marline + Beifang – ich bin zufrieden und überglücklich!

Ich muss mich beeilen, der einheimische Fischer von gestern wartet schon. Es ist bereits 19 Uhr, dazu leichter Regen und schon fast dunkel. Ich kann ihn nur mit viel Mühe überreden mit mir rauszufahren. Bei der Fahrt zum Außenriff kommt zu allem Übel jetzt auch noch ein Gewitter auf uns zu. Mächtige Wellen brechen in der Dunkelheit ins Riff. Ab und zu schimmert der Vollmond etwas durch und die Lichter an Land erkennt man nur noch schemenhaft – bei so einem Wetter jagt man keinen Seehund raus aber… Die Wellen werden immer mächtiger und wir hier in unsere Nussschale. In der Hektik hatten wir auch noch den Harness und das Gaff vergessen. Jetzt finden wir die gute Stelle von gestern Abend wieder. Erster Wurf und Strike – beim Drill des 20 lb GT treibt uns die Strömung raus aufs Meer. Der Zweite Versuch, sofort der Strike – danach noch 6 Fische in kurzer Folge, alle so um 15 – 20 lb.

Jetzt wird der Einheimische noch nervöser, die Lage ist aber auch nicht ohne: „Last cast, please“ seine Mahnung. Der Popper verschwindet in den Wellen – ein kurzer, heftiger Biss durchzuckt die Rute – dann nichts mehr – noch einmal – er hängt, ein Großer! Nach zehn Minuten sind wir ins tiefe Wasser abgedriftet; das sieht gut aus. Was jetzt, der Fisch kämpft nicht mehr – jetzt ein kurzes merkwürdiges Zerren und dann geht die Post ab. Mit rasender Geschwindigkeit reißt das „merkwürdige Zerren“ die Leine von der Stella. Ich muss die Bremse ganz zudrehen und wir halten die Angel zu zweit – 30 kg Zug und kein Harness und Gimbal. Mühsam arbeite ich mich an den Bug vor. Beim nächsten Brecher haut es mich dann voll zwischen Anker und Segelzeug! Wir folgen dem Fisch gegen die hohen Wellen – mitten hinein in Sturm, Gewitter – raus auf offener See. Eine Stunde ist vergangen, die komplette Leine ist draußen – keinen Meter Schnur kann ich zurückgewinnen. Jetzt mag mein Skipper nicht mehr, es ist mittlerweile auch tatsächlich extrem gefährlich – der Wind, die Wellen und dazu auch ohne Gaff. Ich soll jetzt die Leine kappen – das wäre dann das erste Mal in meinen Anglerleben! Wir wendeten noch einmal das Boot und hoffen den Fisch mit Unterstützung der Wellen hinter uns reinziehen zu können. Das gelingt im ersten Moment und ich kann dabei gut 50 Meter Leine gewinnen. Zu früh gefreut – jetzt wendet der mächtige Fisch und ab geht es wieder stur auf die offene See hinaus. Ich halte die Rute mit beiden Händen, die Rutenspitze in Richtung Fisch – Peng. Auf der Rückfahrt Schweigen – wir lauschen nur noch den mächtigen Brechern um uns rum und sind schließlich heil froh wieder zurück an Land zu sein.

Was war das wohl für ein Fisch? Wir vermuten, dass ein großer GT den Popper packte und dann beim Drill von einem mächtigen Hai auf einen Rutsch aufgefressen wurde!? Am Ende des Poppers hatten wir ca. 1,80m Stahl montiert. Der Hai ist wohl dann am Popper hängen geblieben und konnte das Stahlsein nicht durchbeißen. Wie groß der Fisch war – bei 30 kg Bremskraft, wohl kein Kleiner. In der Nacht kann ich kein Auge schließen, zum Einen zuviel Adrenalin im Blut zum Anderen wegen den Knieschmerzen. Wie sich später herausstellte, habe ich mir beim Sturz im Boot die Kniescheibe gesplittert.

Letzter Tag auf der BELUGA: Wir fahren zu der Stelle, an der wir die Marline fingen. Zwei kurze Marlinstrikes in der 250er-Klasse. Dann doch noch ein Kracher – nach 30 Minuten holen wir den zu stark verletzten Fisch an Bord. Die Digitalwaage blieb bei 601 lb stehen.

Am Abend geht es dann zurück nach Mauritius und am nächsten Tag gleich wieder auf See. Ich fing auf der KESTREL noch einige schöne Gestreifte Thunfische mit der Fliegenrute. Danach ein Tag Pause – muss auch mal sein. Letzter Tag, letztes Glück – gegen Mittag haben wir auf einen unserer Lebendköder einen Strike. Nach 10 Minuten brachte ich den Fisch ans Boot – es war ein Blue Marlin der 200er-Klasse, der leider den Köderfisch zu tief geschluckt hatte. Am späten Nachmittag dann noch einen Strike auf Kunstköder – nach 15 Minuten ließen wir ein Blauen Marlin um 200 lb frei.

 

Stephan Kreupl im Januar 2007