Mauritius – The young man and the sea!

»Black Marlin vom kleinen Boot«

Rute, Kampfstuhl und Angler kaputt, die Leine ruiniert, Angelwunder gibt es immer wieder. Heute ist mir ein solches widerfahren. Der größte Black Marlin, den ich je an der Angel hatte, ist besiegt und sicher längsseits vertäut. Jetzt nur noch ohne Zwischenfall nach Hause kommen. Mit starker Schlagseite schleichen wir in Richtung Black River. Letztes Jahr fing alles an, irgendwie fiel mir die kleine Emmanuelle sofort ins Auge. Zwar nur sechs Meter lang und ohne Sonnendach oder anderem Luxus, trotzdem hochseetauglich und mit zwei ordentlichen Auslegern ausgestattet – was will man mehr.

Also charterte ich das Boot und versuchte mein Glück. Bereits bei der zweiten Ausfahrt hakte ich einen 500+ Marlin, leider aber an kleinem Lure und 50 lb Leine. Ich verlor ihn nach langem Drill – der Einfachhaken bog auf. Seit damals ließ mich das kleine Boot nicht mehr los; wieder und wieder kamen mir die Bilder in Erinnerung. 8. Dezember 1998, 6.30 Uhr Ortszeit Black River Mauritius, die Bilder werden wieder zur Wirklichkeit; die Emmanuelle sticht mit Skipper Joachim und mir in die offene See. Der 50 PS Innenborder tuckert bedächtig und mit kleiner Fahrt, Kurs 210° SW, geht es in Richtung „Marlinberg“. Die großen Boote ziehen an uns vorbei, die Skipper und Crews winken herüber und wir wünschen uns gegenseitig viel Glück. Einige „Großfischjäger“ zeigen auf uns und lächeln mitleidig. Wir werden sehen wer zuletzt lacht! Heute wollen wir es mit Lebendköder probieren. Früh am Morgen trifft man meist vor der Le Morne-Landspitze auf Skip Jacks. Keine fünf Seemeilen entfernt sichten wir die Ersten. Kleine Plastikskirts an 6/0er Haken raus und ran an den Schwarm. Die dritte Runde – Viererstrike, zwei um 10 kg fangen wir. Beide kommen an der Panamamontage auf die 80er. Die Leine in die Outriggerklammern, die Fallen sind gestellt, das „große Spiel“ beginnt. Gegen 10.00 Uhr reißt die Backbordleine heftig aus der Klammer. Leine laufen lassen, Harness an und Rute gesichert; Joachim gibt Vollgas, das Boot kommt richtig in Fahrt; abstützen und Bremshebel vor in Strike-Position … was jetzt, Widerstand aber keine Flucht oder Sprung. Der Fisch nimmt nur wenig Leine. Joachim: „Maybe Shark…“, Schulterzucken. Der Widerstand ist zwar enorm aber nur die langsame Schwimmbewegung lässt auf einen größeren Fisch schließen.

Jetzt fällt uns auf, dass ich nicht den Fisch zum Boot, sondern das Boot zum Fisch ziehe; der Fisch hat uns ins Schlepptau genommen. Eine halbe Stunde ist vergangen, plötzlich geht ein heftiger Ruck durch Leine und Rute; beinahe hebt mich der Fisch aus dem „Kampfstuhl“. Jetzt gibt er Vollgas, scheinbar hat er erst jetzt richtig bemerkt was Sache ist. Keine 15 Meter vor uns teilt sich das Wasser und ein mächtiger schwarzer Marlin springt in ganzer Länge aus dem Wasser. Er schlägt mit seinem Schwert wild um sich und peitscht mit der sichelförmigen Schwanzflosse die Wasseroberfläche. Seine Brustflossen hat er weit abgespreizt. Der Marlin kracht jetzt in unmittelbarer Nähe ins Wasser; ein Wasserschwall trifft uns voll. Jetzt wird es richtig kritisch, der Fisch schießt geradewegs wie ein Torpedo auf uns zu. Joachim kann nicht mehr reagieren, der Marlin taucht unter dem Boot weg; ich komme gerade noch aus dem „Kampfstuhl“ und an Steuerbord kniend, versuche ich die Leine irgendwie unter dem Bootskiel zu halten. Das Boot hat zuviel Tiefgang und deutlich spüre ich, wie die Leine am Bootsrumpf entlang schabt. Es will und will nicht enden, nach ca. 400 Meter bleibt er endlich stehen – er hängt noch. Jetzt müssen wir die Leine unter dem Boot raus bekommen und uns wieder in eine gute Position bringen. Trotz Propeller, Ruderblatt… irgendwie schaffen wir es.

Lage- und Schadensmeldung

Bei der Aktion habe ich mir Knie und Hände blutig geschlagen, die Leine ist bestimmt auf mehrere hundert Meter aufgerauht; beinahe wäre ich samt Ausrüstung über Bord gegangen. Zu allem Überfluß ist noch der Rutenfuß abgebrochen. Meine Chancen stehen schlecht, jammern nutzt nichts. Die Rute irgendwie zwischen die „Beine“ geklemmt und ohne Rücksicht auf Verluste, drille ich weiter. Die Leine läuft jetzt schräg in die Tiefe; Joachim fährt vom Fisch weg und versucht uns in einen besseren Winkel zu bringen. Was hält die Leine noch aus… hoffentlich bleibt der Marlin nicht in der Tiefe und stirbt… er ist einige Male gesprungen… ? Rücken und Arme schmerzen; Drillen ohne Gimbal ist die Hölle. Irgendwie geht es doch und nach einer Stunde ist die Spule wieder fast voll. Meine Arme und Knie zittern; die Rückenschmerzen sind fast unerträglich. Der Fisch zieht wieder Leine ab. Nach zwei Stunden, mein Gegenüber wird langsamer und kommt zur Wasseroberfläche. Jetzt wittere ich meine Chance und gebe nochmals alles – auch ich bin an meiner physischen Belastbarkeit angelangt – endlich, der Fisch gibt auf. Er schwimmt jetzt, mehr tot als lebendig, an der Oberfläche. Wir sind keine 20 Meter voneinander entfernt. Der starke Wind und die Strömung treiben uns unweigerlich aufeinander zu. Wieder müssen wir hilflos zuschauen, wie der Fisch unter das Boot gerät. Ich schließe die Augen und erwarte den Abriss. Ich merke, wie sich irgendwo unter dem Boot die Doppelleine verheddert. Ich öffne die Augen und schaue nach Joachim; der hängt über der anderen Bootsseite und hat die Gaffleine fest gepackt. Geistesgegenwärtig hat er im kritischsten Moment aufgepaßt und blitzschnell das Gaff sicher gesetzt. Wir können unser Glück kaum fassen und freuen uns riesig. Nach drei Stunden auf Biegen und Brechen ist der Spuk vorbei und nach einer Verschnaufpause vertäuen wir mit vereinten Kräften einen großen Black Marlin. Joachim schätzt die Entfernung, die wir mit dem Marlin zurücklegten, auf ca. 12 Seemeilen! Zurück in Black River bleibt die Waage bei 649 lb stehen. Die Leine war auf ca. 300 Meter aufgerauht und hielt gerade noch 10 kg.

Resümee

Großes Lob und Anerkennung an meinen Skipper Joachim. Er hat mit seiner Erfahrung und seinem Können letztendlich den Erfolg gesichert. Er war immer hellwach und hat alles versucht, um meine oft aussichtslose Situation zu verbessern. Ihm steht mindestens der halbe Anteil am Erfolg zu.

Für mich ist nach wie vor das Angeln mit kleinem Boot bzw. der Mythos, den Ernest Hemingway mit seinem Roman: „The old Man and the Sea“ schuf, die Herausforderung beim Meeresangeln schlechthin. Mut, handwerkliches Geschick, Geduld, Zähigkeit, die nötige Portion Glück und dann noch einen Skipper wie Joachim und der Tag wird erfolgreich enden.

Stephan Kreupl im Dezember 1998