Die Ente und der Klabautermann

Unterwegs auf der Happy Hooker Richtung Sao Nicolao …

Wir sind nach einer langen, durch einen kurzen Schlafaufenthalt in Sal unterbrochenen Anreise, auf der Insel Sao Vicente (Kapverden) gelandet. Die erste Nacht auf der Insel schlafen wir in der Hafenstadt Mindelo.

Leider ging auch diesmal mit dem Gepäck nicht alles glatt. Ein Koffer mit einer 80er und 50er Rolle, einem Gimbal, Harness sowie eine Rutenfuß ist anscheinend noch in Lissabon.

Da wir keinen Angeltag verlieren wollen, bekommen wir (hoffentlich) von der Fluglinie den Koffer direkt nach Sao Nicolao geliefert. Aufgrund der sehr guten Fangergebnisse in Sao Nicolao haben wir uns entschlossen, unser Glück dort zu versuchen. Und dabei sind wir nicht alleine wie wir erfahren haben. Die anderen vier Boote sind ebenfalls in dem Fanggebiet um Sao Nicolao.

Die See ist rau und es weht ein stetiger Ostwind, der das Wasser mit weißen Schaumkronen schmückt. Durch das Schaukeln des Bootes ist Uwe lahm gelegt. Mit geschlossenen Augen liegt er in der Kajüte und sehnt sich nach seinen Tabletten gegen Seekrankheit. Doch diese sind, wie sollte es auch anders sein, in dem noch fehlenden Koffer. Durchhalten ist angesagt. Vier Wahoos konnten wir schon auf die Schuppen legen. Sie sind zwar keine Riesen, aber genau richtig für das heutige Abendessen in der von uns gebuchten Pension „Tonnecka“. Nach fünf Stunden Überfahrt erreichen wir das Fanggebiet vor Sao Nicolao.

Auf der „Happy Hooker“ befinden sich fünf Personen. Berno der Kapitän, zwei Crewmitglieder und wir zwei Angler, Stephan und Uwe. Unsere Lures laufen gut und ziehen trotz hoher Wellen eine schöne Blasenspur.

Biss auf den langlaufenden Lure, doch die Bremse läuft nicht an. War der Lure zu groß oder lag es an der Montage? Der Lure auf der langen Leine läuft, mit einem Gummi an der Flybridge befestigt, ähnlich einer „Drop-Back“-Montage. Beißt der Fisch, reißt der Gummi und der Lure befindet sich für eine kurze Zeit ohne Zug und sinkt. Die Meinungen an Bord im Bezug auf diese Montage gehen weit auseinander.

Die nächsten zwei Strikes bleiben auch nicht hängen. Es scheint wie verhext zu sein. Drei schöne Strikes ohne hookup! Dann, ein heftiger Strike auf den kurz laufenden Lure. Der Fisch hat schön gebissen und die Bremse läuft. Stephan ist am Drillen was das Zeug hält. Sicher manövriert er den Fisch, welcher sich kurz zeigt. Die Besatzung sagt nur „Big Fish“! Dies freut uns besonders, da die anderen Boote bisher nur kleinere Exemplare fangen konnten. Doch plötzlich ist der Widerstand weg. Der Köder kommt ohne Fisch zurück zum Boot. Beim Inspizieren des Lures sehen wir, dass der Haken am Schenkel gebrochen ist. Das Pech verfolgt uns weiter.

Einfach unglaublich. Ein vier Millimeter-Stahl einfach gebrochen. Ein weiterer Strike, aber der Fisch bleibt wieder nicht hängen. Wir fahren in die Marina und sind geplättet. Über Funk haben wir die Ergebnisse der anderen Boote gehört und jedes Boot hat mindestens zwei Marline gefangen. Welch eine Pleite! Eine Dusche lässt die Welt wieder strahlen. Ein kühles Bierchen im „Delfinho“ und interessante Gespräche mit den anderen Anglern lassen den Tag vergessen und die Vorfreude auf Morgen ansteigen. Das schmackhafte Abendessen (unsere gefangenen Wahoos mit vielen Beilagen) geben uns Kraft für den nächsten Tag.

Der zweite Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück, welche für Uwe auch eine Tablette gegen Seekrankheit beinhaltet. Kombiniert mit einem Übelkeitspflaster soll diese den Tag auf See so angenehm wie möglich machen. Mit frohem Mut und gutem Gefühl fahren wir in die nahe gelegenen Fanggründe. Der Grün/Schwarze Williamson Lure hängt wieder an der langen Leine. Morgens ist die See ruhiger und der erste Strike lässt auch nicht allzu lange auf sich warten. Doch, wie sollte es anders sein……wieder kein hookup! Berno spricht das erste mal von dem Klabautermann an Bord.

Die Sonne steigt höher und mit ihr die Wellen. Die See ist wieder rau und wir können zwei riesige Schildkröten beobachten wie sie sich in der Sonne baden. Es ist ein schwieriges Fischen bei der rauen See. Uwe kann sich gar nicht vorstellen, dass bei diesen Wellen ein Biss möglich ist, da die Lures nicht optimal laufen. Genau in diesem Augenblick beweist der Fisch das Gegenteil. Von Rechts schießt ein schöner Marlin in unser Blickfeld und geht auf drei unterschiedliche Lures, ohne hängen zu bleiben. Wir können nur noch die Köpfe schütteln.

Von den anderen Booten kommen die ersten Fangmeldungen. Wir gewinnen wieder Zuversicht. Die raue See nagt an unserer Aufmerksamkeit, als plötzlich ein heftiger Strike auf den langlaufenden Lure „Big Blue Cavitator „von Williamson erfolgt. Wir sehen den Fisch, welcher den Kopf aus dem Wasser gehoben hat und diesen wild schüttelt. Ein riesiger Fisch. Wir schätzen ihn auf mindestens 350 Kilogramm. Voll Entsetzen sehen wir, wie sich die noch im Rutenhalter befindliche Rute langsam nach oben, in die Richtung der Flybridge hebt. Der dort befestigte Gummi dehnt sich sehr langsam da der Fisch nicht weg schwimmt und reißt unter der enormen, durch die Weiterdrift des Bootes erzeugten Spannung schließlich mit einem Knall. Und mit ihm auch die 130lb Schnur. Der Klabautermann hat wieder zugeschlagen. Wir sind sprachlos.

Berno verspricht uns, das Boot abends nach dem Klabautermann abzusuchen. Dieser scheint wirklich etwas gegen uns zu haben. Nun hatten wir insgesamt schon neun Strikes und konnten noch keinen Fisch ans Boot holen. Das ist mehr als Pech! Für Uwe ist es eine wertvolle Erfahrung. Marlinfischen ist eben nicht nur „ab ins Flugzeug und in ein gutes Gebiet fliegen, ins Boot sitzen und einen Fisch drillen“. Da muss einfach alles stimmen. Extreme Sorgfalt in der Zusammenstellung der Ausrüstung, perfekte Montagen, optimierte Lures, saubere Knoten, scharfe Haken und und und….

Auf alle Fälle geht der zweite Tag für uns ohne Fisch zu Ende und wir lassen ihn in der angenehmen Gemeinschaft der Skipper und Angler in der Pension beim gemeinsamen Abendessen ausklingen.

Der dritte Tag bringt uns gleich einen Doublestrike. Zwei schöne Wahoos konnten unseren Lures nicht widerstehen und einer muss dies mit dem Leben bezahlen. Uwe freut sich riesig über einen schönen Fisch von über 20 kg.

Die See ist wieder rau, wir wissen schon gar nicht mehr wie es ist ohne heftiges Schaukeln und Festhalten. Von der Flybridge aus beobachten wir eine riesige Schar von über hundert Delfinen auf Beutezug. Wir folgen ihnen, jedoch bleibt der erhoffte Biss aus. Von einem anderem Boot bekommen wir eine Fangnachricht eines Thunfisches. Plötzlich wieder ein schöner Strike auf einen unserer Ilander. Der Fisch hängt und Stephan drillt.

Es ist zwar kein Riese, aber ein ordentlicher Fisch. Es ist schön, dass endlich mal einer hängen geblieben ist. Der Fisch nimmt Schnur, Stephan gewinnt diese wieder und langsam nähert sich der Fisch dem Boot. Dann springt der Fisch auf einmal. Entsetzen spiegelt sich in unseren Gesichtern, denn der Widerstand und damit der Fisch ist weg.

Das war einfach nur Pech. Wir versuchen unser Glück auf der Bank und bekommen auch weitere, drei Strikes. Doch leider bleibt wieder keiner hängen. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Wir stellen unsere Montagen und Lures auf den Prüfstand. Die Enttäuschung können wir heute Abend leider nicht mehr komplett herunterduschen. Stephan genießt sein erstes Glücksbier. Nichts lassen wir unversucht und auch hier stimmt der Einsatz.

Am vierten Tag ein bereits gewohntes Bild; raue See und hohe Wellen. Der Ostwind wirbelt uns kräftig durch und Uwe begreift nun endgültig, dass auch ein Topgebiet wie die Kapverden viel Ausdauer und Kraft erfordert um einen Marlin zu fangen. Wir folgen einer großen Vogelschar zu einem riesigen Köderfischschwarm und bald schon geht´s wieder los!

Wir haben einen heftigen Biss von rechts auf den kurz laufenden Lure. Die Bremse kreischt und Stephan ist wenige Augenblicke samt Rute im Kampfstuhl schwer am Kämpfen. Der Marlin springt nicht. Er nimmt in rasendem Tempo Leine und der Kampf zwischen Stephan und dem Fisch nimmt seinen Lauf.

Irgend etwas stimmt mit der Rolle nicht – nein es ist nicht die Rolle, sondern die Leine hat sich beim Strike zwischen dem oberen Rollering und der Rutenspitze über 300 Meter eingeschnitten. Die Schnur ist stark beschädigt. Die Crew setzt die Schnur per Hand wieder in den oberen Ring ein, jedoch es ist zu spät. Das schreckliche Gefühl einer reissenden Leine lässt nicht lange auf sich warten. Es gibt einen Knall und der Fisch ist erneut verloren. Genau in dieser Sekunde kommt der Marlin für einen Moment kurz aus dem Wasser – gut + 300 kg. Der Klabautermann hat wieder zugeschlagen und uns mitten ins Herz getroffen.

Wir sind enttäuscht und denken an den Fisch, welcher nun samt Schnur und Lure seine Kreise durch die Weiten des Atlantiks zieht. Ein weiterer Biss bringt uns auch keinen hookup und der vierte Tag entlässt uns ohne Erfolg zum Abendessen. Die anderen Angler machen uns Mut, jedoch fühlen sie mit uns mit.

Den fünften Tag beginnen wir ziemlich geknickt. Zu schwer lasten die Erfahrungen der letzten Tage auf uns. Alle anderen Boote haben am Vormittag Strikes, doch kein Fisch bleibt hängen. Wir sitzen auf der Flybridge bei Berno und es werden wenige Worte gesprochen. Zu enttäuscht sind alle Parteien aufgrund der vergangenen Tage. Die Marline stimmen mit in die Stille ein, indem sie sich nicht sehen lassen. Nur das Meer und der Wind sind ungestüm wie gewohnt. Irgend etwas muss doch gegen den Klabautermann unternommen werden. Uwe probiert es mit einer kleinen Gummiente die er als Glücksbringer von seiner Familie mitgenommen hatte. Der Vormittag vergeht wie im Flug und die anderen Boote haben uns auch bereits Richtung Mindelo verlassen, wo Simon heute Morgen einen Viererstrike hatte und zwei Marline fangen konnte. Für uns scheint das in dieser Situation einfach unvorstellbar. Es wird früher Nachmittag, immer noch kein Strike. Die Sonne hat den Zenit bereits überschritten und neigt sich verdächtig schnell Richtung Horizont und mit ihr unsere Hoffnung auf einen Marlin.

Doch plötzlich ein harter Strike auf den Softhead auf der rechten Seite. Der Fisch hängt und springt komplett aus dem Wasser. Ein wunderschöner Anblick eines schönen Fisches. Uwe ist an der Reihe und ist samt Rute im Kampfstuhl. Der Fisch nimmt weiter Schnur und scheint gut zu hängen. Berno fährt das Boot gekonnt rückwärts um dem Fisch wieder ein paar Meter von der Schnur zu nehmen, was auch gelingt. Immer wieder fängt der Fisch an trotz des rückwärts fahrenden Bootes Schnur zu nehmen und immer wieder wiederholt sich die Prozedur; Pumpen, beim heruntergehen der Rute (wenn möglich mit der Welle) Schnur nehmen, Schnur verteilen und von Vorne. Wenn der Fisch Schnur nimmt, dann einfach warten. Es ist Uwe´s erster Marlin und Stephan führt in ruhig und sicher anhand klarer Anweisungen und Tips durch den Drill. Der Fisch nimmt immer wieder Schnur, schüttelt den Kopf, aber der Haken hängt gut und immer wieder kann Uwe die Schnur zurückerobern. Schließlich ist der Wirbel zu sehen und bald hat die Crew den Leader gepackt. Ein wunderschöner Fisch von ca. 220 kg ist am Boot. Seine blaue Flanke scheint zu strahlen. Der Haken sitzt nicht tief und der Fisch wird von der Crew markiert. Am Bill festgehalten nimmt das Boot in kleinem Gang wieder Fahrt auf, damit der Fisch wieder mit ordentlich viel Sauerstoff versorgt wird. Schließlich wird er wieder der Freiheit entlassen.

Es ist geschafft! Der erste Marlin in dem Urlaub und Uwe´s erster Marlin überhaupt. An Bord herrscht helle Freude. Für Uwe ist es wie Ostern und Weihnachten an einem Tag. Die Füße sind unsicher, die Hände zittern aber das Herz springt! Eine Flasche Wasser gibt die verlorene Flüssigkeit wieder. Adrenalin schießt immer noch kreuz und quer durch alle Kanäle in Uwe´s Körper. Durch den Wind ist ein Kuss zu hören. Dieser gilt, wie sollte es anders sein……der kleinen, gelben Gummiente!

An diesem Abend feiern wir. Leider ist das Delfinho heute aufgrund eines Feiertages geschlossen, jedoch werden wir mit Getränken von den Tonneckas versorgt. Nach dem Essen gibt es für alle Beteiligten von Uwe eine Siegerzigarre. Diese wird auch (höflichkeitshalber) von allen glücklich geraucht. Es ist geschafft. Der erste Marlin!

An schlafen ist bei Uwe heute Nacht nicht zu denken. Liegt es am Vollmond oder an dem Adrenalin? Wie auch immer. So entstand zumindest dieses Bild.

Am sechsten und letzten Tag fahren wir in aller Hergottsfrühe Richtung Sao Vicente los. Um ca. 12:00 Uhr erreichen wir die Fanggründe und versuchen unser Glück in der erneut rauen See. Leider ist uns aber heute das Glück nicht hold, so dass wir um 14:30 Uhr Richtung Hafen aufbrechen müssen, denn der Flieger wartet auf uns.

Auf dem Rückflug unterhalten wir uns angeregt, analysieren die Erlebnisse, die Montagen, die Taktiken, die Lures und Vieles mehr. Wir sind uns jedoch schnell einig, dass wir diese harten Erfahrungen sehr positiv bewerten. Trotz Informationen über´s Internet, die besten Lures und das beste Fanggebiet dürfen wir niemals die Demut vor der See, dem Wind und dem Fisch verlieren. Wir wurden hieran erinnert und sind dankbar dafür.

Aber wir sind auch dankbar, dass eine kleine Gummiente schließlich den Klabautermann besiegen konnte.

PS: Der Lure mit den meisten Strikes war ein „Big Blue Cavitator“ von Williamson in Schwarz/Grün. Leider ist er in den ewigen Weiten des Ozeans verschwunden. An unseren Lures/Montagen kann es nicht gelegen haben, da die Fische auch an den Lures des Bootes nicht hängen geblieben sind …

Wir wünschen allen Lesern Tight Lines!

Stephan Kreupl und Uwe Kauntz